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Geschäftsbericht als Klopapier-Rolle: Authentische Kommunikation - oder auffallen um jeden Preis?

Der Wert von Finanz- und Unternehmenskommunikation steht und fällt mit ihrer Authentizität. Mit ihrer Glaubwürdigkeit, ihrer Stimmigkeit. Denn nur authentische Kommunikation ist auch langfristig und nachhaltig vertrauenswürdig.

Was das konkret bedeuten kann, bekam ich während und nach der Finanz- und Wirtschaftskrise zu spüren: Kunden stornierten bereits beauftragte Imagekapitel wieder, weil sie Aktionäre, Investoren, Mitarbeiter und andere Stakeholder nicht mit auf Hochglanzseiten gedruckten Imagebotschaften irritieren wollten, während ihr operatives Geschäft darnieder lag und Personal entlassen wurde. Zurecht, wie ich fand – denn welches Signal hätten sie sonst ausgesandt?! “Form follows function” gilt im übertragenen Sinne auch hier. Wer über ein wenig erfolgreiches Jahr zu berichten hat, sollte zu keinen überdimensionierten, allzu aufwändig gestalteten Geschäftsbericht nutzen.

Doch was soll man vor diesem Hintergrund von Unternehmen wie die Schweizer Ringier AG halten, die ihren Jahresbericht 2011 als Klopapier-Rolle präsentiert. Soll dies auf eine sehr bildhafte und zugleich provokative Art und Weise sagen: Unser letztes Geschäftsjahr war für den A ...llerwertesten?

Kunst statt Kommunikationsstrategie?

Als ich von diesem Geschäftsbericht las, bin ich natürlich sofort neugierig geworden und habe ihn bei Ringier bestellt. Vor ein paar Tagen kam er nun: tatsächlich, ein Geschäftsbericht als Toilettenpapier-Rolle.

Noch vor dem Öffnen der Rolle fiel mir ein kleiner Zettel in die Hände: Dies sei nun keine gewöhnliche Klopapier-Rolle, nein, dies sei Kunst. Der Italienier Maurizio Cattelan habe den Jahresbericht 2011 gestaltet. Später im Prolog von Verwaltungsratspräsident Michael Ringier folgen weitere Erläuterungen – für selbsterklärend hat man die Klopapier-Kommunikation wohl selbst bei Ringier nicht gehalten: Vor dem Hintergrund des schwierigen Mediengeschäfts müsse sich das Unternehmen neu erfinden. Die Experimentierfreude von Cattelan, seine Art ganz neu und anders zu denken und Dingen neu zu sehen, seien hier Vorbild. Deshalb habe man den Künstler den Auftrag zur Gestaltung übertragen – wohlwissend, dass er provokativ wirken würde.

Nun, ich habe nichts gegen Provokation, nichts gegen Kunst und noch weniger gegen kreative Darstellungsformen. Aber ob es keine andere, positiv besetztere Möglichkeit gegeben hätte und sich Ringier mit der Jahresberichts-Toilettenpapierrolle wirklich einen kommunikativen Gefallen tut – das wage ich dennoch zu bezweifeln.

Schwimmhilfe, wenn das Geschäft baden geht.

Dass es auch anders und dabei deutlich charmanter geht, bewies 2002 die Medienagentur antwerpes ag aus Köln. Auch sie hatte ein schwieriges Jahr zu bewältigen gehabt – und präsentierte ihren Geschäftsbericht in Form einer Schwimmhilfe (in der Pdf-Ansicht fehlt leider der Schimmflügel-Einband zum Aufblasen! ;-)). Besonders gelungen fand ich, dass nicht nur die Gestaltung, sondern auch der Text dieses Thema durchgängig aufgriff - selbst bis in den Lagebericht hinein. Dieser Geschäftsbericht gehört für mich deshalb seit Jahren zu den Musterbeispielen für gut gemachte, authentische Finanzberichterstattung.